Ein Beitrag von: Jonas Klemm
Seit meiner Kindheit ist Fotografie in meinem Leben immer präsent gewesen. Nachdem ich mit meinen Eltern aus unseren Urlauben zurückkehrte, wurden immer mit Spannung die Dia-Abende in großer Runde mit Familie und Freund*innen erwartet. An diesen Abenden konnte man alles noch einmal Revue passieren lassen, sich erinnern und mit Geschichten vom norwegischen Polartag oder von kuriosen Echsen auf den Kanarischen Inseln glänzen. Die Erinnerungen und die staunenden Gesichter der Großeltern waren dann der unbezahlbare Lohn für mich als Kind.
Und so wollte ich das dann natürlich auch bei meiner ersten eigenen Reise handhaben. Nur, dass ich meist für das Erzählen der Geschichten zuständig war und nicht für das Fotografieren. Das hatte immer mein Stiefvater übernommen, der nun aber nicht dabei war. Dadurch sollte mein erstes selbstgewähltes Ziel zu einer echten Herausforderung werden. Ich entschied mich dafür, nach knapp 20 Jahren noch einmal zurück ins unvergessliche Norwegen zu reisen – dieses Mal allerdings, um die Polarnacht zu erleben. Und natürlich habe ich darauf gehofft, die Aurora Borealis (auch Polarlichter genannt) erleben zu dürfen.
Ausgestattet mit der analogen Spiegelreflex meines Vaters, einer Nikon F65 , fühlte ich mich gut gerüstet. Nur konnte ich kaum die Automatiken der Kamera unterscheiden und von Langzeitbelichtung hatte ich noch nie etwas gehört. Ohne zu weit ausholen zu wollen: Wir hatten Glück, Polarlichter erleben zu dürfen, doch es blieb bei einer spektakulären Erinnerung. Ein Freund, den ich dort besuchte, hatte zumindest ein Stativ und konnte so wenigstens ein paar Fotos mit seiner Kamera machen. Aber das Gefühl, so etwas Spektakuläres zu sehen und es nicht festhalten zu können, es nicht zu Hause wie gewohnt anhand von eigenen Bildern erzählen zu können, war der Anfang meiner Begeisterung für die Fotografie.
Von nun an wollte ich lernen, Spektakuläres jeglicher Art fotografieren zu können. Und was bietet sich besser dafür an, als meine mit dem Feuer spielenden Freund*innen dafür als Übung zu nutzen? Dunkle Umgebung, sich schnell bewegende Menschen und die Charakteristik von Feuer als Lichtquelle. Das sind in Kombination schwierige Bedingungen, die ein Verständnis der Kameratechnik, aber auch der Bewegung des Motivs erfordern.
Man kennt von manchen Veranstaltungen mit Feuershow eigentlich nur zwei Arten von Fotos: Entweder die Feuerspieler*innen verschwinden in der Bewegungsunschärfe und helle Feuerstreifen irren durch das Bild oder es ist komplett schwarz und zwei kleine Flämmchen sind zu sehen. Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, die einzelnen Elemente im Bild auch einzeln kontrollieren und steuern zu können. Gemeinsam haben wir verschiedene Dinge ausprobiert und uns auch mit Lichtmalerei beschäftigt. Die unterschiedlichsten Flammeneffekte wurden mit vielen Fototechniken verbunden.
Wir waren gemeinsam auch auf vielen Feuerjonglagefestivals und mittlerweile fühle ich mich heimisch in der sehr familiären und internationalen Szene dieser Artist*innen. Auf einigen dieser Festivals koordiniere ich die Fotograf*innen und Videograf*innen und sehr oft werde ich nach den „richtigen“ Einstellungen für gute Feuerbilder gefragt.
Und das ist eine Frage, die man nicht pauschal beantworten kann. Es hängt von so vielen Faktoren ab und vor allem dem Bewusstsein, welche Art Foto die Fotograf*innen im Endeffekt haben möchten. Darum werde ich hier meine Herangehensweise an die wahrscheinlich am häufigsten vorkommende Situation beschreiben: Feuershow auf einem Mittelaltermarkt.
Zielfrage: Welche Art Bilder möchte ich?
Für mich kommt dabei aufgrund der Umstände (Mittelaltermarkt-Flair, kaum bis keine Bühnenbeleuchtung) nur eine Art in Frage. Ich habe lediglich die Möglichkeit, meine Kamera und mich selbst zu ändern. Anfangs war dies die Nikon D5100 , bis vor Kurzem dann meine Nikon D600 , die ich nun nach einem Diebstahl wohl durch eine Nikon D750 ersetzen werde.
In der Regel gibt es kein Extralicht oder sonstige Möglichkeiten, zu justieren. Ich möchte das Spiel mit dem Feuer scharf abgebildet wissen, möchte eine schön tiefe Flammenstruktur, also „friere“ ich die Flamme ein. Das bedeutet, dass ich – abhängig von meiner Brennweite – eine relativ kurze Belichtungszeit benötige, zum Beispiel bei 85 mm an einem APS-C-Sensor mindestens 1/125 s.
Wo stelle ich mich hin?
Ist irgendwo eine Laterne oder Fackel zu sehen, die in Richtung Showfläche leuchtet? Dann stelle ich mich in ihre Nähe. Sie wird mir nicht helfen, das Bild aufzuhellen, aber meinem Autofokus helfen, das Ziel zu finden – die Feuerjongleur*innen! Oft findet der Autofokus nur die hellen Lichtpunkte der geschwungenen Flammen, die aber auch oft weit weg von den Artist*innen beziehungsweise ihren Gesichtern sind.
Was fotografiere ich da eigentlich?
Wenn die Show dann endlich losgeht, ist man als Besucherin*in meist ahnungslos, was denn eigentlich auf der Bühne passiert. Bevor ich mir die Kamera vor die Nase halte, schaue ich genau, mit welchem Jonglagegerät gespielt wird. Es gibt unglaublich viele unterschiedliche und ebenso viele unterschiedliche Arten, sie zu spielen. Und mit ein wenig Übung kann man während der Show auf verschiedene Situationen entsprechend reagieren.
Wie – „reagieren“? Macht das nicht die Automatik?
Die Automatik-Modi Blenden- oder auch Zeitvorwahl sind meiner Erfahrung nach nicht so gut. Sie messen permanent, aber können nicht antizipieren. Dies ist also meine Aufgabe – die ganze Zeit der Show über.
Bei der kurzen Belichtungszeit, die ich schon erwähnte, werdet Ihr Euch nun fragen, wie es denn mit der Blende und dem ISO-Wert aussieht. Nun, mit diesen Werten tanze ich immer einen Flamenco auf der Rasierklinge: Um eine gewisse Tiefenschärfe zu gewährleisten, die es mir erlaubt, auch bei schnellen Bewegungen die spielende Person im Fokus zu halten, nutze ich meistens eine Blende im Bereich f/4–6.3. Je nach Bewegungsgeschwindigkeit muss ich auch noch die Verschlusszeit erhöhen. Bis zu 1/320 s gehe ich hier meist maximal hoch.
Der Iso-Wert ist dementsprechend natürlich extrem wichtig, hängt aber maßgeblich von der ISO-Performance der Kamera ab. Aber sowohl auf Vollformat sowie auch auf den wesentlich anfälligeren APS-C-Sensoren haben sich Iso-Werte von 800 bis 2000 bewährt. Je mehr Flammen das Spielgerät hat und je langsamer sich die Artist*innen bewegen, desto sparsamer kann ich dabei mit dem ISO-Wert umgehen.
Und die meisten, die schon einmal so eine Show fotografiert haben, werden sich denken: „Das ist doch total unterbelichtet!“ (im doppelten Sinne) und haben damit auch völlig Recht. Denn der wichtigste und schwierigste Punkt kommt jetzt:
Timing!
Die Flamme ist wie eine Feder im Wind. Und meine einzige Lichtquelle. Das bedeutet: Nur dann, wenn die Flamme hell genug ist, um den Menschen zu beleuchten, kann auch das Foto entstehen, das ich mir vorstelle. Und wenn man mal in die Verlegenheit kommt, eine Show ohne Kamera zu beobachten und auf die Momente achtet, in denen das gegeben ist, wird man feststellen, dass das nicht oft passiert. Und genau diese Momente muss ich erkennen – bestenfalls, bevor sie eintreten.
Nun bin ich nicht Yoda und kann entsprechend keine Bewegungen vorhersehen, aber mit ein wenig Taktgefühl kann man sich die Musik des Showacts zu Hilfe nehmen. Viele Bewegungsabläufe sind auf den Takt choreografiert und meistens sind so die Schlüsselmomente der Musik auch die Momente, die ich für meine Fotos suche.
Meine Kamera macht in 10 Sekunden 50 Serienbilder, ich brauche kein Taktgefühl!
Ja, kann hilfreich sein und insbesondere bei manchen Spezialeffekten ist das sogar sehr sinnvoll. Nur kann auch bei Serienbildern der entscheidende Moment übersprungen werden. Ich fahre mittlerweile bequemer, wenn ich versuche, das Timing einzuhalten, was auch in der Nachbearbeitung dankbarer ist, als mich durch 1.000 Bilder pro Showact wühlen zu müssen.
Nachbearbeitung?
Erst einmal kommt das Aussortieren. Übrigens liegt meine durchschnittliche Moment-Trefferrate bei etwa 1:10. Bei einem von zehn Bildern habe ich den hellen Moment der Flamme getroffen. Oft fällt das eine Bild dann aber noch aufgrund von Unschärfe oder ungünstiger Mimik aus der Auswahl. Da ist es manchmal schwer, sich nicht frustrieren zu lassen.
Viele der Bilder sehen, selbst wenn man den richtigen Moment erwischt hat, oft noch recht dunkel aus, rauschen oder stimmen nicht ganz von der Farbtemperatur (Farbtemperatur und Fokus überlasse ich immer der Automatik). Das korrigiere ich im Nachhinein im Camera Raw.
Es gibt nicht die geheime Einstellung. Das Geheimnis ist das Bewusstsein über das eigene Ziel und das Motiv vor der Kamera. Dem kann man sich im Rahmen der technischen Möglichkeiten nähern. Es braucht Geduld. Es braucht etwas Erfahrung. Es braucht Glück. Es braucht Übung! Aber mit diesen Tipps bekommt Ihr vielleicht ein Foto, das die Begeisterung der Artist*innen für die hypnotisierende Kraft der Flammen einfängt, auf dem man die Augen leuchten sieht und die fantasieanregende Struktur der Flammen wahrnehmen kann. Eben spektakulär!
Anmerkung der Redaktion für diejenigen, die eventuell selbst experimentieren möchten: Feuer ist und bleibt gefährlich! Feuerjonglage sollte nur betreiben, wer jahrelange Erfahrung mit dem Spiel der Jonglageutensilien ohne Feuer gesammelt hat. Feuerlöscher und Löschdecken sind immer mitzuführen. Zudem sollte immer eine zweite Person ohne brennende Utensilien bereit stehen, falls jemand Feuer fängt. Baumwollkleidung ist Pflicht, ebenso, dass die Utensilien adäquat getränkt werden, so dass die Brennflüssigkeiten nicht in die Umwelt gelangen! Weitere Informationen zum richtigen Umgang mit Feuer bietet zum Beispiel Feuerpädagogik e. V.für Interessierte an.
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