Sunday, February 3, 2019

Verlassene Orte in Berlin

Ein Beitrag von: Daniel Boberg

Lost Places gibt es überall auf der Welt. Und die Faszination ist überall dieselbe. Es sind vergessene Orte, deren Geschichten Fotograf*innen und andere Neugierige erforschen möchten. Als Daniel Boberg mir von seinem Buch „Verlassene Orte Berlin“ berichtete, wollte ich mehr wissen und bat ihn um ein Interview.

Hallo Daniel, wenn ich an Berliner Lost Places denke, kommen mir zuerst die Heilstätten in Beelitz, der Spreepark und die verlassene Militärstadt Wünsdorf in den Sinn. Hat Berlin mehr zu bieten als diese schon so oft fotografierten Plätze?

Die populärsten Lost Places in Berlin sind wahrscheinlich der Teufelsberg, das Blub Badeparadies und natürlich der Spreepark, der leider sehr streng bewacht und gerade zu einer Art Park umgebaut werden soll. Die anderen Orte sind zwar nicht in Berlin, hier in der Umgebung wahrscheinlich aber trotzdem sehr populär.

Guckt man sich aber etwas genauer um, findet man noch mehr, viel interessantere verlassene Orte in Berlin. Dazu gehört zum Beispiel das ehemalige Institut für Anatomie der FU Berlin oder eine alte Trabbiwerkstatt, wo sogar noch alte DDR-Fahrzeuge im Hof standen. Es ist verrückt, wo man manchmal verlassene Orte entdecken kann. Selbst in dicht besiedelten Wohngebieten steht manchmal völlig unerwartet ein Lost Place, um den sich einfach niemand kümmert.

Halle

Und all diese Orte finden sich in deinem neuen Buch? Verrätst Du, wo man sie findet oder was kann man von dem Bildband erwarten?

Die Orte finden sich alle in meinem Buch, also auf jeden Fall die, die auch in Berlin liegen. Ich verrate natürlich nicht, wo genau die Orte zu finden sind. Bei einigen, wie zum Beispiel dem Teufelsberg, ist der Standort nun wirklich alles andere als ein Geheimnis, aber es gibt tatsächlich auch in Berlin noch ein paar Orte, die nicht völlig überlaufen sind. Das sorgt nämlich meistens dafür, dass sie sehr viel schneller verfallen oder komplett unzugänglich gemacht werden, weil sich einige Menschen scheinbar nur aus ihrer Zerstörungswut heraus dorthin begeben. Anstatt der Standorte habe ich lieber versucht, die Schönheit und Faszination dieser Orte zu zeigen. Viele Leute, die die Bilder sehen, sind überrascht, was es in ihrer Nachbarschaft so alles zu entdecken gibt.

Was macht die Berliner Lost Places im Vergleich zu anderen Orten besonders?

Das ist eine schwierige Frage. Ich denke, dass die Lost Places in Berlin nicht mehr oder weniger besonders sind als die in Brandenburg, Thüringen oder der Schweiz. Für viele Berliner sind sie aber so faszinierend, weil sie zum Beispiel dort als Kind sehr viel Zeit verbracht haben. So haben sich nun schon mehrere Leute schockiert die Bilder des Blub Badeparadies angeschaut und mir erzählt, dass sie dort früher immer zum Schwimmen hingefahren sind. Es sind für diese Menschen also eher die persönlichen Erinnerungen, die sie mit dem vergleichen können, was sie nun auf meinen Bildern sehen können. Für mich sind die verlassenen Orte meist überall gleichermaßen besonders, aber jeder Ort auf seine eigene Art und Weise.

Dachboen

Gibt es einen Lost Place, der Dir besonders am Herzen legt und zu dem Du selbst einen persönlichen Bezug hast?

Es gibt einen verlassenen Ort, an den ich gern zurückdenke. Der war zwar nicht in Berlin, ist mir aber in besonderer Erinnerung geblieben. 2011 war ich mit zwei Freunden in der verlassenen Kurklinik Weserbergland. Als wir dort eintraten, wirkte es, als hätte das Personal spontan die Stifte fallengelassen und wäre zusammen mit den Patient*innen geflüchtet. Die Betten waren gemacht und überall lagen Akten herum. Im Speisesaal stand Geschirr und auch die medizinischen Geräte waren alle noch da, wo man sie zuletzt benutzt hatte.

Diesen Zustand findet man leider nur sehr selten. Wie schon gesagt, sind die meisten Lost Places leider ziemlich stark zerstört. Zu dem guten Zustand kam noch, dass es im Grunde mein erster richtiger Lost Place war. Wahrscheinlich war auch dieses Erlebnis ein Grund dafür, dass mich die Faszination für verlassene Orte bis heute nicht mehr losgelassen hat.

Wie findest Du diese besonderen Orte?

Ich habe über die Zeit glücklicherweise ein paar Menschen kennengelernt, mit denen ich mich über die Orte austauschen kann. Wir können uns gegenseitig darauf verlassen, dass die Orte nicht zusammen mit einer Anfahrtsskizze an der nächsten Straßenlaterne landen. Ich habe also nun ein relativ großes Archiv bei Google Maps und gucke mir dann dort einfach einen Ort aus.

Eine andere Methode, um die man auch nur herum kommt, wenn man schon ein genaues Ziel hat, ist das Suchen bei Google Maps. Man sucht einen Ort aus und zoomt heran. Die meisten Lost Places erkennt man ganz gut von oben. Es sind Löcher in den Dächern oder es taucht auf einmal eine ganze Siedlung im Wald auf. Da kann man sich dann relativ sicher sein, dass die Häuser verlassen sind. Das ist genau so mühsam, wie es klingt. Ich habe auch schon viele Ausflüge gestartet und musste nach einer zweistündigen Autofahrt feststellen, dass es die Häuser gar nicht mehr gibt.

Verlassene Halle

Versuchst Du zuerst, mit den Besitzer*innen in Kontakt zu treten, um Dich rechtlich abzusichern?

Wenn man versucht, mit den Besitzer*innen in Kontakt zu treten, bekommt man meistens Absagen. Wenn man keine Absage bekommt, erhält man vermutlich gar keine Reaktion. Das ist zumindest meine Erfahrung, weshalb ich also meistens darauf verzichte. Ist das Gelände aber so gesichert, dass man es ohnehin nicht ohne Gewalt betreten könnte, versuche ich es manchmal. Was ich schon oft gemacht habe, ist, mich mit den Nachbar*innen oder irgendwelchen Bauarbeitern vor Ort abzusprechen. Wenn man offen auf die Menschen zugeht und ihnen erzählt, was man vorhat, drücken sie oftmals ein Auge zu. So kann man dann hoffen, dass weder die Polizei noch ein Sicherheitsdienst anrückt.

Der Besuch in einem Lost Place ist zum Teil auch sehr gefährlich, oder? Kaputte Dächer und Böden, Schimmel und herumliegender Müll haben Risiken. Wie schützt Du Dich?

Ja, die Besuche sind nicht ganz ohne. Die Dinge, die Du ansprichst, sind eigentlich bei fast jedem verlassenen Ort zu finden. Meistens reicht es aus, sich mit gesundem Menschenverstand und Respekt zu schützen. Damit meine ich, dass man seine Augen und Ohren offen hält. Wenn ich mir nicht sicher bin, ob mich der Zimmerboden noch tragen kann, drehe ich lieber wieder um.

Wahnsinnig wichtig finde ich auch, dass man solche Orte nicht allein besucht. Wenn dann doch einmal etwas passieren sollte, ist immer noch jemand vor Ort, der Hilfe holen könnte. Gegen sehr stark verschimmelte Räume reicht für ein paar Aufnahmen eine einfache Atemschutzmaske aus dem Baumarkt. Meistens sind vor Ort auch Scheiben eingeschlagen und es können Nägel und gebrauchte Spritzen herumliegen. Deshalb sollte man sich immer festes Schuhwerk anziehen – beides möchte ich nicht im Fuß haben.

Kommen wir noch einmal auf Dein Buch zurück. Es sind nicht nur Fotos der Orte sondern auch Texte zu finden. Was erfährt man darin?

Bei Lost Places sind es für mich nicht nur die Orte, die eine Faszination ausstrahlen, sondern auch die Geschichte. Ich informiere mich meist vor meinen Besuchen, was der Ort für eine Geschichte hat. So hat man während seines Besuchs die Möglichkeit, sich vorzustellen, wie es dort wohl einmal gewesen sein könnte und genau dafür sind auch die Texte da. Die Leser*innen sollen etwas über die Geschichte der Orte erfahren, damit sie selbst anfangen können, sich in diesen Vorstellungen zu verlieren. Ohne Geschichte wären diese Lost Places eben fast nicht mehr als irgendwelche heruntergekommenen Gebäude.

Vielen Dank für das Interview!

Informationen zum Buch

„Verlassene Orte Berlin“ von Daniel Boberg
Sprache: Deutsch
Einband: Gebunden
Seiten: 168
Maße: 13 x 27 cm
Verlag: Sutton Verlag
Preis: 29,99 €


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