Monday, August 19, 2019

Klatschmohn. Klischees. Keine Ahnung.

Ein Beitrag von: Daniel Boklage

Irgendwo habe ich mal gelesen, man solle nur das fotografieren, was man liebt. Okay. Ich mag Klatschmohn. Wegen der Farbe. Weil er jedes Jahr einfach da ist. Weil er Landschaften zeitweise verzaubert und dann einfach wieder verschwindet. Und weil er mich an den längsten Tagen des Jahres früh morgens aus dem Bett holt.

Nun ist Liebe vielleicht ein bisschen stark, aber für ein Fotoprojekt war und ist auf alle Fälle genug Zuneigung da. Also hopp! Geile Idee – und dann: Zweifel: Klatschmohn? Geht’s eigentlich noch klischeehafter? Und seit wann bitte gibt es dieses Klischee schon? Seit Monet und van Gogh? Seit Irving Penn? Oder seit Flickr, 500px und Instagram? Und wieso heißt Fotonegativ im Französischen „cliché“?

Egal. Irgendwie muss ich hinter dieses Klischee kommen. Nur wie? Es ist ohnehin schon schwer, sich etwas Ungesehenes vorzustellen. Noch schwieriger ist es bei einem Motiv, das so stark besetzt ist wie der rote Mohn. Also beschließe ich, zu experimentieren. Unterschiedliche Einstellungsgrößen, Perspektiven, Brennweiten, Objektive, Blenden, Filme, Orte – einfach alles, was mir einfällt.

Und so viel sei vorweg genommen: Am Ende habe ich nicht nur ein Bild gefunden, mit dem ich zufrieden bin, sondern auch eine Erkenntnis gewonnen, mit der ich meine nächsten Projekte beginnen kann. Aber zurück zum Anfang. Klatschmohn ist rot. Und darum soll es gehen. Also Kodak Ektar. Außerdem werden Monet und van Gogh ja auch irgendetwas richtig gemacht haben. Also ein Helios für den malerischen Eindruck.

Mohnwise

MohnblumenMohn wächst zwischen Steinen

Mohnwiese

Hmm, ziemlich Monet-mäßig. Doch nur ein Abklatsch, eine billige Kopie? Ein Klischee im wahrsten Sinne? Vielleicht. Aber ich mag sie. Und zwei der Bilder haben sogar Namen bekommen: Wall·E und Vivienne.

Aber das Bild war noch nicht dabei. Also: Warum Mohn nicht mal in schwarzweiß? Google, google, hmm – rot und grün in schwarzweiß ist ziemlich grau. Zack: Rotfilter bestellt.

Mohn in schwarzweiß

Irgendwie ein Portrait aus der Stummfilmzeit? Und überhaupt: 36 Belichtungen und nur ein Negativ, das etwas geworden ist. War schwarzweiß keine gute Idee? Eine letzte Runde. Weiterhin keine Farbe und jetzt auch weg mit dem Helios. Dafür ein 135er, dieses Mal mit Blaufilter.

Mohn in schwarzweiß

Mohn in schwarzweiß

Mohn in schwarzweiß

Endlich. Endlich ein Bild, das mich nicht spontan an ein anderes Bild erinnert, sondern viel mehr an einen motivierenden Gedanken. Daran, dass es manchmal wichtig ist, einfach anzufangen. Einfach loszulegen, einer Idee zu folgen. Und sich nicht selbst auszubremsen, nur weil das Zielfoto noch nicht da ist. Keine Ahnung zu haben, kann etwas sehr, sehr Schönes sein.

Klar, jetzt da ich die Bilder sehe, denke ich mir manchmal: Wenn ich das vorher gewusst oder geplant hätte, dann hätte ich es vielleicht anders und besser machen können. Aber dann fällt mir auch immer wieder ein, dass es diese Bilder gar nicht geben würde, hätte ich nicht einfach ziellos losgelegt.

Nicht zu wissen, was man will, ist kein Grund, nicht anzufangen. Und ob die Bilder nun frei von Klischee sind? Vermutlich nicht. Vermutlich ist nichts wirklich klischeefrei. Keine Ahnung.


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