Ein Beitrag von: Marc Peschke
Aus der Vielzahl der Fotobücher, die die Antarktis zum Thema haben, ragt ein neuer Band heraus. „Adelie: Eismeer – Eisland“ versammelt Bilder, die im 1840 durch den Franzosen Jules Dumont d’Urville entdeckten Adélieland in der Ostantarktis entstanden sind. Die Publikation umfasst zwei hochwertig gedruckte Bücher, nämlich „Eisland“ von Vincent Munier und „Eismeer“ von Laurent Ballesta. Während sich der in Montpellier geborene Meeresbiologe Ballesta dem Leben im Meer widmet, ist es Munier, der uns die Schönheit der Vogelkolonien im Eis vor Augen führt.
Vor allem nimmt die Ruhe gefangen, die die Fotografien ausstrahlen. Das tiefe, kalte Blau des Meeres und das eisige Weiß gehen eine ausdrucksstarke Symbiose ein. Doch vor der so eigentümlichen Poesie dieser Bilder steht in der Antarktis viel Technik, Ausrüstung und jede Menge Mut. Laurent Ballestas Vier-Schichten-Tauchanzug wog beinahe 100 kg – die Meerestemperatur beträgt Minusgrade, doch lässt der Salzgehalt das Wasser nicht gefrieren.
Schmerzhaft sei die Kälte, sehr schmerzhaft, sagt Ballesta, der mehrere Monate lang die Unterwasserwelt der Ostantarktis fotografiert hat – trotz tauber Hände und Füße. Doch es hat sich gelohnt, denn dort, in den tieferen Wasserschichten, existiert ein überraschend üppiger und vielfältiger Lebensraum, der noch nie ins Bild gebracht wurde.
Gemeinsam mit dem Naturfotografen Vincent Munier war Ballesta 2015 Teil einer Forschungsexpedition zur französischen Wissenschaftsstation Dumont d’Urville. Während Ballestas Bilder in unwirklichen Blautönen schimmern, zeigen Muniers Arbeiten die Lebewesen an Land: Pinguine, Robben und Vögel.
Der in den Vogesen aufgewachsene Munier fotografiert seit vielen Jahren schon in der Arktis. Von der grönländischen Küste über Sibirien bis zu den nördlichsten Inseln von Nunavut in Kanada hat er die eisige Landschaft durchquert. Seine Bilder kommen fast ohne Farbe aus. Auch wenn es Farbbilder sind, so zeigen sie oft nur Weiß- und Schwarztöne. Linien, die die Bilder strukturieren – bisweilen ganz abstrahierte Fotografien der Natur. Vincent Munier ist beides: Tierfotograf und ein Meister abstrahierter Landschaftsbilder.
So unterschiedlich die Fotografien von Vincent Munier und Laurent Ballesta sind, die in dieser Veröffentlichung zusammengeführt werden, so vermitteln sie doch die gleiche Lehre: Weiß ist nicht gleich weiß. Blau ist nicht blau. Es gibt so viele unterschiedliche Farbnuancen in der Natur.
Dass dieser Lebensraum der Ostantarktis in Gefahr ist, dass der Klimawandel – das schnellere Abschmelzen der Gletscher – viele Pinguinarten bedroht, ist nicht explizites Thema dieses Bandes, dennoch ist man sich beim Betrachten der Bilder gewahr, dass die vermeintliche Abgeschiedenheit dieses Teils der Erde relativ ist:
Seit 2012 verhandelt man nun schon über die Schaffung eines 1,55 Millionen km² großen multinationalen, marinen Schutzgebiets in der Region – dessen Schaffung durch China, Russland und die Ukraine bis heute aus wirtschaftlichen Gründen verhindert wird, da Beschränkungen für die Fischerei drohen.
Aktuell ist dieses Buch also auch, aber vor allem von beeindruckender Zeitlosigkeit. Die Pinguinbilder Muniers sind besonders eindringliche Zeugnisse eines geselligen Lebens in der kargen Eiswüste. Gemeinsam stehen sie dicht an dicht, trotzen Wind und Wetter, stürzen sich vom Eis ins Meer. Dieselben Pinguine fotografiert auch Ballesta, tauchend im Wasser. Wie anders diese Geschöpfe unterhalb der Wasseroberfläche agieren! Gar nicht mehr so putzig sehen sie jetzt aus. Kraftvoll und geschmeidig gleiten sie durchs Wasser, nutzen ihre Füße als Ruder.
Tiefer im Meer findet Ballesta andere Tiere und Pflanzen, die man in der Arktis nicht vermutet: Quallen, Oktopusse, Seespinnen und Korallen – eine fremde Welt in tiefem, leuchtenden Blau.
Informationen zum Buch
„Adelie: Eismeer – Eisland.“ von Laurent Ballesta und Vincent Munier
Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch
Einband: Zwei Bände im Schuber, Hardcover
Seiten: 208
Maße: 26,4 x 5,5 x 36,5 cm
Verlag: Knesebeck
Preis: 150 €
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