Ein Beitrag von: Thomas Ruf
Pilze – plötzlich stehen sie da! Kleine, große, dicke und dünne. Allein, zu zweit, oder – als hätten sie sich abgesprochen – in ganzen Gruppen. Wer diese Welt betritt, bemerkt einen Zauber, der sich kaum beschreiben lässt. Fast scheint es, als würden Pilze miteinander sprechen. Oder machen sie sich gar ein wenig lustig über uns?
Mit diesem Beitrag möchte ich Euch in die Welt der Pilze entführen. Eine Welt, die so nah und heute doch vielen so fern ist. Darüber hinaus möchte ich aufzeigen, warum mich meine Pilzfotografie auch in anderen fotografischen Bereichen weitergebracht hat.
Wir leben in einer verrückten und hektischen Zeit. Unzählige Menschen verbringen einen Großteil ihrer Freizeit vor dem Bildschirm ihres Mobiltelefons, reisen im Urlaub um die ganze Welt – und kennen die versteckten Wunder in der nächsten Umgebung nicht mehr. Besonders aufgefallen ist mir das anhand von Reaktionen zahlreicher Mitmenschen auf meine Pilzaufnahmen. Viele konnten sich überhaupt nicht vorstellen, dass man in „unserem“ in 10 Minuten zu Fuß erreichbaren Wald nahe Basel solche Pilze finden kann.
Und nicht wenige haben in ihrem Leben noch nie einen schönen Fliegenpilz gesehen! Für mich fast unvorstellbar, haben wir in der Schweiz doch in fast allen Landesteilen Wälder mit idealen Voraussetzungen dafür.
Magische Welt der Pilze – so würde ich mein seit rund zehn Jahren bestehendes fotografisches Langzeitprojekt umschreiben. Dazu ist zu sagen, dass sich dieses Projekt geografisch bisher vorwiegend auf meine nächste Umgebung sowie die Nordwestschweiz beschränkt hat. Die meisten Bilder entstanden sogar auf einer Fläche von nur einem Quadratkilometer, die ich allerdings unzählige Male abgesucht habe!
Natürlich ist nicht alles magisch in der Welt der Pilze zwischen Entstehen, Verfall und Fäulnis. Auch gibt es verschiedene Motivationen, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, wie zum Beispiel wissenschaftliche und biologische; Pilze haben ja eine enorme Bedeutung für unsere Ökosysteme. Aber mich persönlich fasziniert vor allem der magische und märchenhafte Aspekt: die unglaubliche Vielseitigkeit der Pilze, die Stimmungen im „dunklen Wald“ und die Erinnerungen und Gefühle, die sie in uns hervorrufen.
So sehe ich mich als Sammler von kleinen zauberhaften Momenten, die im heutigen Zeitalter etwas verloren zu gehen scheinen. Letztendlich ist eine gute Pilzaufnahme ist für mich dann gegeben, wenn sie etwas von der geheimnisvollen Magie des Waldes vermitteln und besondere Stimmungen wachrufen kann.
Allgemeine Hinweise zur Pilzfotografie
Pilze sind dankbare Motive: Der Wind ist kaum ein Problem wie sonst in der Makrofotografie. Und Pilze laufen uns nicht davon! Aber Herausforderungen und Schwierigkeiten gibt es dennoch. Zwar kommt es nur selten vor, dass ein schönes, essbares Exemplar von eifrigen Pilzsammler*innen direkt vor unserer Linse weggepflückt wird. Aber Pilze muss man finden – und Pilze stehen oft genau da, wo es kaum Licht, aber Gestrüpp, Morast, Insekten und manchmal auch gefährliche Zecken gibt.
Oft braucht es akrobatische Verrenkungen, um die Kamera auf dem Stativ oder auf dem Waldboden zu positionieren und auszurichten. Und die größte Herausforderung (zumindest für mich) ist immer noch die Wahl der richtigen Perspektive, des wirkungsvollsten Ausschnittes sowie der passenden Schärfentiefe.
Die Ausrüstung als Mittel zum Zweck
Auch in der Pilzfotografie gilt: Es sind die fotografischen Fähigkeiten und Geduld, die meiner Meinung nach entscheidend für gute Bilder sind. Die Kamera betrachtete ich dabei als Werkzeug, das zur Persönlichkeit passen muss. In meinem Fall ist das heute die wetterfeste Vollformatkamera Pentax K1 Mark II mit dem Makro-Objektiv Pentax SMC D-FA 100 mm f/2.8 WR.
Besonders hilfreich ist für mich das schwenkbare Kameradisplay, besonders bei bodennahen Aufnahmen. Bei meinen bis vor einem Jahr eingesetzten APS-C-Modellen von Pentax musste ich noch darauf verzichten.
Schlechtes Wetter ist gutes Wetter!
Bei meinen Pilztouren mag ich direktes Sonnenlicht überhaupt nicht. Dafür aber umso mehr „schlechtes Wetter“ – dunkle Wolken, grauer Nebel und Regen sind einfach großartig! Das gibt mir bei den Aufnahmen viel Gestaltungsspielraum und passt auch eher zu den mystischen und zauberhaften Stimmungen, die ich gezielt suche. Künstliches Licht setze ich so gut wie nie ein, verwende aber gern weiße Reflektoren zum dezenten Aufhellen oder Abschatten.
RAW-Aufnahmen für optimalen Tonwertumfang
Ich fotografiere immer im RAW-Format mit einer möglichst tief eingestellten Empfindlichkeit (ISO 100). Weil sich dadurch oft lange Belichtungszeiten ergeben, löse ich mit einem Kabel- oder Selbstauslöser aus. Zudem belichte ich so, dass im fertigen Bild auch die helleren Bereiche auf den Pilzköpfen Zeichnung aufweisen. Dass dadurch mittlere und dunkle Tonwerte in der unbearbeiteten RAW-Aufnahme viel zu dunkel erscheinen, nehme ich in Kauf. Sie lassen sich später in Lightroom problemlos aufhellen, ohne dass Rauschen sichtbar wird.
Vorgehen bei der Aufnahme
Pilze haben – wie die meisten Menschen – vorteilhafte und unvorteilhafte Seiten. Wenn ich mit offenen Blendenstufen arbeite, um den Hintergrund ruhig zu stellen, fokussiere ich auf den vordersten Punkt des Pilzkopfes und nicht auf den Stiel. Nur bei ruhigem Hintergrund und wenn es die Szenerie erfordert, blende ich stärker als auf f/11 ab.
Dann wähle ich den Fokussierpunkt so, dass eine optimale Tiefenschärfen-Verteilung erreicht wird. Generell kontrolliere ich heute Ausschnitt, Tonwerte und Schärfe auf dem schwenkbaren Kameramonitor. Ich bin generell der Ansicht, man sollte vermehrt den Mut haben, „nach Gefühl“ zu fotografieren!
Gedanken zum Bildstil
Kein Gebiet hat mich persönlich so dazu inspiriert, meinen Bildstil weiterzuentwickeln wie die Pilzfotografie. Da ich anfänglich keinen „roter Faden“ in meinen Pilzfotos erkennen konnte, begann ich vor einigen Jahren, mich mit dem Thema „Bildstil“ zu beschäftigen. Ich versuchte, mir darüber klar zu werden, welche Interpretationen und Sichtweisen zu meiner Persönlichkeit passen und welche nicht.
Über Jahre schälte sich so eine subtile Art heraus, wie ich meine Bilder durch den Sucher „komponiere“ und später in Lightroom entwickle. Wichtig war mir dabei immer: Mein Bildstil soll und darf sichtbar sein, hat sich aber immer dem Motiv unterzuordnen – und nicht umgekehrt. Fotografische Effekte als Selbstzweck sind nicht meine Sache.
Natürlich ist die Entwicklung eines eigenen Bildstils nie abgeschlossen. Es gibt auch Brüche und Rückschritte – und negative Tendenzen sieht man oft erst im Rückblick und aufgrund von Kritik. Es lohnt sich aber, am eigenen Bildstil zu arbeiten. Ein positiver Nebeneffekt ist dabei, dass dadurch automatisch die Bildserie und nicht das Einzelbild in den Fokus rückt. Dadurch kommt man auch weniger in Versuchung, einzelne Bilder völlig übertrieben zu entwickeln. Die verbreitete Farbübersättigungsmanie aus der Welt von Social Media lässt bekanntlich grüßen.
Bildbearbeitung
Prägend für den Bildstil ist neben der Aufnahme vor allem die Bildbearbeitung am Ende des Prozesses. Für mich ist diese „Dunkelkammer der digitalen Fotografie“ unverzichtbar. Meiner Meinung nach gibt es allerdings einen großen Unterschied zwischen Interpretation und Manipulation.
Ich versuche im ersten Schritt lediglich, ein Bild so authentisch und natürlich wie möglich zu entwickeln. Also genau so, wie ich es gesehen zu haben glaube. Im zweiten Schritt versuche ich dann, Bildstimmung, Bildwirkung, Tonwerte und Farbnuancen zurückhaltend so zu verändern, wie es meiner persönlichen Betrachtungsweise entspricht.
Die Haustür öffnen und raus in die Natur!
Mit diesem Leitspruch möchte ich Euch ermuntern, vermehrt die eigene Umgebung zu entdecken. Neben den vielen Chancen für Fotografiebegeisterte trägt es zur Entschleunigung bei und hilft mit, auf neue Gedanken zu kommen und Alltagsprioritäten wieder richtig einzuschätzen!
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