Monday, January 13, 2020

Die Welt langsam bereisen

Ein Beitrag von: Claas Liegmann

Zusammenhänge wahrnehmen – das, was uns verbindet, aber auch das, was uns voneinander unterscheidet. Mit dieser Idee verließen wir im Oktober 2018 Berlin und reisen seitdem ohne Flugzeug mit dem Ziel, eines Tages Neuseeland zu erreichen. Wir sind beide Ende der 80er Jahre geboren und kennen deshalb keine physischen Landesgrenzen innerhalb Europas mehr. Für Reisen in das außereuropäische Ausland nutzt unsere Generation wie selbstverständlich das Flugzeug.

Dadurch haben wir ebenfalls keinerlei Erfahrungen mit Landesgrenzen, sondern kennen lediglich die immer gleichen kleinen Schalter in Flughäfen, in denen Beamte unsere Pässe abstempeln. Wir reisen also mit Bussen, Fähren, per Anhalter und manchmal auch zu Fuß. Den größten Teil der Strecke haben wir allerdings mit der Eisenbahn zurückgelegt. Meiner Meinung nach ein unterschätztes Verkehrsmittel, das eine echte Alternative zum Fliegen darstellt, wenn es zeitgemäß konzipiert ist.

Frau schläft in einem ZugBlick aus einem Zug heraus

Nicht mehr ganz zeitgemäß, aber dafür nach wie vor sehr zweckmäßig, ist das zum Teil über 100 Jahre alte Schienennetz, das zur Zeit des russischen Kaiserreichs und später der Union der Sowjetrepubliken gebaut wurde. In Kasachstan und Usbekistan werden auch heute noch knapp 50 % des Personen- wie auch des Güterverkehrs von der Eisenbahn abgewickelt. In der Mongolei sind es sogar über 90 % des gesamten Güterverkehrs.

Für Menschen mit niedrigem bis mittlerem Einkommen sind diese Züge nach wie vor das Verkehrsmittel der Wahl, um die Familie und Bekannte in ihren riesigen Heimatländern zu besuchen. Um einen Eindruck zu bekommen, was eine Reise für Einheimische durch diese scheinbar endlosen Länder bedeutet, sind wir in der 3. Klasse gereist, die auch als „Platskart“ bekannt ist. Es handelt sich um offene Großraumabteile mit Liegeflächen, auf denen man tagsüber gemeinsam an Tischen sitzt und nachts schläft.

Strommast in einer weiten Landschaft

Dort haben wir eine unvergessliche Gastfreundschaft erleben dürfen, die uns tief berührt hat. Auch ohne dass wir die Sprache des jeweils anderen sprechen konnten, haben wir uns doch verstanden. Wir teilten unser Essen, erzählten mit Händen und Füßen, woher wir kommen und wohin wir möchten. Wir verbrachten zwischen 12 und 32 Stunden in diesen Zügen. Genug Zeit, um einander kennenzulernen und am Ende jeder Fahrt ein wenig wehmütig auf den Abschied zu blicken.

Die alten Sowjetzüge sind nur teilweise renoviert worden, beim Betreten fühlten wir uns in eine andere Zeit versetzt. In Usbekistan und Kasachstan fahren die Züge selten schneller als 50 km/h. Draußen scheint die schier endlose Steppe in Zeitlupe vorbeizuziehen, während das Thermometer oft auf über 40 °C steigt.

Schlafende Menschen im ZugFrau in einem Schlafabteil im Zug

Jeder Waggon ist mit einem Heizkessel für Wasser, auch Samowar genannt, ausgestattet. Diese oft noch mit Feuerholz beheizten Tanks versorgen auf eine recht simple Art die Passagiere mit allem, was sie auf einer langen Fahrt brauchen. Tee, Müsli, aber vor allem Instant-Nudelgerichte lassen sich mit dem heißen Wasser einfach zubereiten. Außerdem dienen diese Kessel als sozialer Treffpunkt, um sich auszutauschen.

Da das Rauchen in den Abteilen verboten ist, sind die Bereiche zwischen den einzelnen Waggons ein beliebter Treffpunkt für alle Raucher*innen. Nicht selten wurde während der Fahrt auch mal die Tür geöffnet, um einen Luftzug zu spüren oder ein Foto zu machen. Die Welt scheint sich ein Stück weit zu verändern, während dieser langen Reisen in den alten Zügen.

Portrait eines Manns

Nachdem wir die Kaspische See mit einer Fähre überquert hatten, nutzten wir die Eisenbahn, um durch Kasachstan und Usbekistan zu reisen. Später fuhren wir mit dem Zug von Almaty in Kasachstan nach Norden, um über Nowosibirsk und Irkutsk in Russland weiter nach Ulan Bator in die Mongolei zu reisen. Während unserer Zugreise durch Russland sind wir mit der berühmten Transsibirischen Eisenbahn gefahren, die im Vergleich deutlich moderner als die Züge in den anderen Ländern war. Ein Zugewinn an Komfort und Geschwindigkeit, allerdings auch ein deutlicher Verlust an Charme.

Zugreisen ist, verglichen mit dem deutschen Preisniveau, in Kasachstan und Usbekistan relativ günstig. Beispielsweise zahlt man für eine Fahrt von Almaty nach Nur-Sultan in Kasachstan (etwa 19 Stunden) in der 3. Klasse pro Person ungefähr 16 €. In Russland und der Mongolei stiegen die Preise dann allerdings rasant an. Die Fahrt von Irkutsk in Russland nach Ulan Bator in der Mongolei hat pro Person ungefähr 100 € gekostet und dauerte etwa 18 Stunden. Allerdings sind wir diese Strecke in der 2. Klasse gefahren und haben anstatt in einem offenen Großraumabteil in einer geschlossenen 4er-Kabine geschlafen.

Güterzüge

Mittlerweile sind wir schon über ein Jahr lang ohne Flugzeug unterwegs. Wir haben gespürt, wie sich die Welt um uns herum langsam verändert hat. Diesen Artikel schreibe ich in Vietnam und es kommt mir keineswegs befremdlich vor, hier zu sein. Alles hat sich langsam verändert – die Menschen, das Essen und die Landschaft.

Mittlerweile fällt es mir schwer, Kulturen oder bestimmte Gewohnheiten einem Land, eingebettet in Grenzen, zuzuordnen. Ich finde es zutreffender, über Regionen auf dieser zu Welt sprechen, in denen es diese oder jene Kultur oder Gewohnheit gibt. Landesgrenzen erscheinen mir nach dieser langen Reise nicht mehr geeignet, um das Leben der Menschen zu beschreiben. An dieser Stelle möchte ich auch einmal erwähnen, dass wir uns durchaus bewusst darüber sind, welches Privileg wir haben, überhaupt reisen zu können und es auch auf diese sehr zeitintensive Weise tun zu können.

Oft werden wir gefragt, ob wir aus Umweltgründen auf das Flugzeug verzichten. Unser Reisestil ist, zur Enttäuschung vieler, nicht aus einem Gedanken des Umweltschutz entstanden. Ohne es wissenschaftlich belegen zu können, denke ich, dass wir deutlich mehr Luftverschmutzung verursachen, als wenn wir direkt von Deutschland nach Neuseeland fliegen würden. Ich kann allerdings keine Aussagen darüber treffen, wie die Rechnung aussähe, würden wir für jedes Land, das wir bereisen, auch einen eigenen Flug buchen.

Die Bilder in diesem Artikel sind während der Zugreisen durch Usbekistan und Kasachstan entstanden. Im Film sind dagegen Aufnahmen aus Kasachstan, Russland und der Mongolei zu sehen. Wer sich mehr für unsere andauernde Reise interessiert, kann uns auf Instagram unter @claas_lizzy folgen.


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