Ein Beitrag von: Felix R. Krull
Jedes Jahr inszeniert Felix R. Krull in Russland gemeinsam mit Mode- und Kostümgestalter*innen, Modellen und anderen Kreativen eigene Bildwelten. Diese oft sehr filmischen Arbeiten bewegen sich zwischen Fashioneditorial und Bildreportage. Die besten 20 Bildstrecken der letzten Jahre veröffentlicht er nun als Künstlerbuch in einem Schuber mit 4 Einzelbänden.
Felix, Du hast schon in vielen Städten gearbeitet – in London, Paris, Peking, Beirut und Istanbul, außerdem hast Du enge Bindungen in die USA. Und nun arbeitest Du seit einigen Jahren jeden Sommer im russischen Sankt Petersburg. Warum dort?
Seit einigen Jahren halte ich ein Seminar zur Modefotografie an der Sankt Petersburger Kunstakademie und habe mich dabei in die Stadt verliebt, in ihre Umgebung, die Menschen und als Fotograf natürlich in das Licht der Weißen Nächte. Mich faszinieren die harten Gegensätze der Stadt, die wechselhafte, immer sehr spürbare Geschichte. Zugleich aber die Unruhe des Jetzt, denn nichts scheint dort endgültig und perfekt zu sein, alles scheint sich zu bewegen. Die richtige Umgebung für mich, um freie Projekte umzusetzen.
Wie würdest Du diese Projekte kurz definieren?
Vielleicht als fiktionale Bildwelten in Form von Bildstrecken. Diese basieren auf meinen Konzepten und werden dann gemeinsam mit Mode- und Kostümgestalter*innen, Make-up-Künstler*innen, Modellen, Tänzer*inen und anderen Helfer*innen erschaffen und inszeniert.
Welche sind die dabei von Dir genutzten formellen Mittel?
Ich denke, ich orientiere mich bei der Formgebung oft am Fashioneditorial sowie der Bildreportage und füge dem auch oft eine filmische Ebene und Erzählweise hinzu.
Was verbindest Du inhaltlich mit dem Projekt?
In meinen Inszenierungen erzähle ich Geschichten, in denen ich eigene Erfahrungen mit Elementen gegenwärtiger und vergangener Bilderwelten verbinde. Ich mische surreale Bilder und Realität, eine Traumsequenz ist dabei für mich ebenso interessant wie wirkliches Erleben.
Außerdem versuche ich, allzu offensichtliche Erklärungen zu den Bildstrecken zu vermeiden. Zusätzlich arbeite ich oft mit einem unterschwelligen Gefühl des Bedrohlichen. Etwas rational nicht Greifbares konfrontiert uns schnell mit eigenen Sehnsüchten und Ängsten.
Wie entstehen Deine Konzepte und wie ist der weitere Ablauf?
Das ist recht unterschiedlich. Meist beginnt es mit den Kollektionen, den Outfits. Dazu assoziiere ich eine Geschichte, eine Stimmung, Charaktere, einen Ort. All das vermischt sich mit vielfältigen Einflüssen von Bildender Kunst, Musik, Film, Literatur und so weiter. Anschließend suche ich den passenden Aufnahmeort und das Team.
Wenn ich beginne zu fotografieren, habe ich bereits eine genaue inhaltliche Vorstellung von dem, was die Bildstrecke transportieren soll. Einzelne Bilder sehe ich da noch nicht vor mir. Das Shooting selbst ist eine Mischung bewusster und zielstrebiger Arbeit und einem intuitiven sich bildnerisch Treibenlassen. Viele Details entwickeln sich auch durch das Zusammenspiel mit den Modellen, dem Team, dem Ort, durch die Atmosphäre und Eigendynamik des Shootings.
Wie aufwändig sind Shootings mit Modellen im fremdsprachigen Ausland?
Da ich schon viel im Ausland gearbeitet habe, ist für mich der Aufwand vor Ort auch nicht größer oder schwieriger zu handhaben als in Deutschland. Sankt Petersburg hat im Übrigen eine sehr professionelle Infrastruktur für solche Shootings.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit einem russischen Team?
Ich habe das Glück, dort mit großartigen Menschen arbeiten zu können – großherzige, reflektierte, professionelle und notwendigerweise auch etwas verrückte Leute, die sich in ihrem Leben oft auf einem sehr schmalen Grat bewegen. Und klar, am Anfang waren unterschiedliche Arbeitsweisen und andere Verhältnisse schon eine Herausforderung.
Manches ist ungewohnt kompliziert, anderes aber dann wieder ganz überraschend einfach. Deutscher Perfektionismus bleibt mitunter auf der Strecke und russische Improvisation feiert grandiose Triumphe. Wenn man selbst offen ist, kann man Eigenes in Frage stellen und daran wachsen.
Wie wählst Du Deine Modelle aus?
Immer passend zum jeweiligen Konzept. Wenn ich eine Vorstellung vom Charakter der Figuren habe, suche ich nach Modellen, die die Intelligenz und Sensibilität haben, um den Inhalt und die Stimmung der Geschichte zu verstehen. Und die dann professionell oder einfach nur begabt sind, ihren Charakter in der Geschichte zu erfassen und mit Leben zu füllen. Das Äußere muss zur Geschichte passen, aber auch der Typ des Menschen. Oft sind meine Modelle hochprofessionelle Agenturmodelle, aber manchmal auch zufällige Personen oder Freund*innen.
Welche Rolle spielt die Technik für Dich in der Fotografie?
Die Technik ist ein Werkzeug für die Umsetzung der Projekte.
Du zeigst verschiedene Serien. Kannst Du uns etwas zu den einzelnen Serien sagen?
Ich finde, Erklärungen reduzieren oft die Magie der Bilder. Ich möchte den Betrachter*innen den Titel der Serie und dann die Möglichkeit der freien Assoziation geben.
Warum wählst Du Kataloge als Präsentationsform?
In den einzelnen Bänden habe ich durch Layout und Bildgefüge, Seiten- und Bildablauf die Möglichkeit, Zusammenhänge innerhalb der Bildstrecken herzustellen. Handlungsabfolge und Einzelbild erhalten so eine angemessene Wirkung. Und im Gegensatz zu einem Buch bieten mir mehrere Kataloge die Möglichkeit, zusätzliche Schwerpunkte zu setzen.
Wann können wir „A Frame of Mind“ in den Händen halten?
Da das Buchprojekt zu einem Teil über Crowdfunding finanziert wird, werden als erstes die Unterstützer*innen des Projekts ab Ende Februar ihr Exemplar der limitierten Ausgabe erhalten.
Das Interview erschien erstmalig im Sicht Fotomagazin. Wir veröffentlichen es mit freundlicher Genehmigung.
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