Wednesday, August 15, 2018

Petőfis Leichnam

Person mit Pappmachée Kopf aufgesetzt in einer Küche.

Ein Beitrag von: Tomoya Imamura

Europa rückt wieder nach rechts. Von Armut geplagt und ohne gefestigte demokratische Tradition ist der Osten besonders anfällig für Autokratie und Identitätspolitik. Ungarn ist ein Musterbeispiel für diese Entwicklung sowie Schauplatz und Thema dieser Arbeit. Die meisten Bilder entstanden in Tolna, dem süd-ungarischen Heimatort meiner Mutter, wo ich einen großen Teil meiner Jugend verbracht habe.

Ohne den persönlichen und sprachlichen Zugang wäre eine solche Arbeit nicht möglich gewesen, da viele der Aufnahmen in intimen Situationen entstanden sind. Obwohl meine persönliche Meinung zur politischen Entwicklung klar wird, ist das Ziel der Arbeit nicht Kritik, sondern eine möglichst neutrale Beobachtung der kulturellen und geschichtlichen Entwicklung, sofern Neutralität in der Fotografie überhaupt möglich ist.

„Petőfis Leichnam“ ist der Versuch, eine ungarische Gegenwart zu umschreiben, deren postsozialistische Realität eine neue Form des Nationalismus nährt. Die Perspektive des Verlierers prägt nach jahrhundertelanger Fremdbestimmung die Identität des Landes und führt heute zu einer Wiederentdeckung und Neuerfindung der eigenen Geschichte. Vorchristliche Sagen und Heldengeschichten aus den vielen gescheiterten Revolutionen stärken das Selbstbewusstsein eines Volkes, das sich nicht länger in einer europäischen Nebenrolle sehen möchte.

Person in Innenraum mit Oberkörper Figur.

Kuchen mit unklaren Kanten.

Mann in Jogginganzug draußen stehend.

In dieser Bildreihe werden dokumentarfotografische und inszenierte Bilder kombiniert, wodurch eine Parallele zur Realität und Inszenierung der Gegenwart geschaffen werden soll. Teil dieser Inszenierung sind handgefertigte Pappmachéobjekte, die zum Teil ungarische Nationalsymbolik, zum Teil osteuropäische Klischees sowie kommunistische Symbolik darstellen.

In Szenen und Portraits werden Alltagssituationen dargestellt, in die sich diese Symbole einfügen. Sie dienen als weiße Projektionsfläche oder ausgebrannte Form. Für Außenstehende sind die Objekte beinahe der einzige direkte Verweis auf Ungarn, wobei die dargestellte Nationalsymbolik nicht mehr Aufschluss bietet als der gelegentliche Schriftzug in ungarischer Sprache. Die Verortbarkeit bleibt dadurch im osteuropäischen Raum und betont den kommunistischen Schleier, der den ehemaligen Ostblock in uniformen Beton gegossen hat.

Drei junge Frauen in Bademode neben Tisch mit Brotlaiben.

Straßenansicht mit ländlichen Häusern

Die postsozialistische Entwicklung findet sich ebenso in den Details der Raumbeschreibungen. So zieren Gebäude zum Beispiel „mediterrane“ Farben und Dekorationselemente, weil spanische Telenovelas in den Neunzigern den neuen selbstbestimmten Wohnstil prägten. Dieser südländische Orangeton und das sozialistische Minzgrün der Siebziger ziehen sich durch die gesamte Arbeit und finden sich leicht gebrochen in den Klappen des Buches wieder.

Frau hält viele Brotlaibe vor ihr Gesicht.

Urbane Landschaft.

Auf dem Titel des Buches sowie auf einigen der Bilder wiederholt sich auch der 1 kg schwere Laib Weißbrot, der einerseits das standardisierte Überbleibsel des Sozialismus ist, andererseits gerade durch den Titel „Petőfis Leichnam“ auf den Leib Christi verweist und die christlichen Bezüge der rechten Bewegung miteinbezieht. Petőfi war Ungarns Nationaldichter und Märtyrer während der Revolution 1848 gegen Österreich.

Frau in alter Ofenecke sitzend mit Schürze.

Industrieanlage in gelb und grün.

Seine patriotischen Gedichte werden noch heute in Schulen auswendig gelernt, jedoch verbleiben sein Tod und dessen Umstände bis heute unklar. Vermutlich wurde er nach einer Schlacht auf der Flucht von einem russischen Soldaten erschlagen, was seinem prominenten Aufruf zum Heldentod widersprechen würde. Diese scheinbar unbedeutende Unklarheit und der Pathos, der seinen Namen umgibt, beschreiben zugleich auch das nationale Empfinden Ungarns.


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